Gut Ding braucht Weile – könnte man meinen!?

Gesetzte

Rückwirkend zum 01. Juli 2016 wurde die Änderung des Erbschaftsteuergesetztes verabschiedet. Allgemeiner Konsens der Kommentatoren: noch komplizierter, mehr Unsicherheiten bei der Ermittlung des begünstigten Vermögens – neue Klagen sind hinsichtlich der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit verschiedener Regelungen vorgegeben.

Nachdem der Bundestag am 29. 9.2016 den Ergebnissen des Vermittlungsausschuss zugestimmt hat, wurden auch vom Bundesrat die Änderungen am 14.10. verabschiedet – rückwirkend zum 1.Juli 2016.

Wesentliche Änderungen in Stichworten:

1. Begünstigungsfähiges Vermögen (§ 13 b Abs. 1), begünstigtes Vermögen (§ 13b Abs. 2)

  • land- und forstwirtschaftliches Vermögen
  • inländisches Betriebsvermögen
  • Beteiligungen an Personengesellschaften und unter bestimmten Voraussetzungen Anteile an Kapitalgesellschaften bleiben als begünstigungsfähiges Vermögen (§ 13b Abs. 1) unter den Bedingungen des § 13a Abs.1ff ErbStG zu 85% steuerfrei (Regelverschonung), wenn der Erwerb des begünstigten Vermögens im Sinne des § 13b Satz 2 insgesamt 26 Mio.Euro nicht übersteigt.

Auf Antrag wird unter den gesetzlichen Voraussetzungen auch die Vollverschonung (Steuerfreiheit von 100% des begünstigten Vermögens) gewährt. Allerdings darf das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 4) in diesem Fall 20% nicht übersteigen.

Für Unternehmen mit Betriebsvermögen, das den Betrag von 26 Mio. übersteigt sieht die Gesetzesänderung unter § 13c (Abschmelzungsmodell) und § 28a (Verschonungsbedarfs-prüfung) Begünstigungsregelungen bis zu max. Euro 90 Mio. Betriebsvermögen vor.

Der neue Verschonungsabschlag und die Vollverschonung gelten nur noch für das begünstigte Vermögen, d.h. Verwaltungsvermögen fällt nicht mehr unter den Verschonungsab-schlag oder die Vollverschonung.

Wurden von derselben Person innerhalb der letzten 10 Jahre in mehreren Erwerben begünstigtes Vermögen übertragen, so werden diese Erwerbe nach ihrem früheren Wert dem letzten Erwerb hinzugerechnet. Übersteigen die Erwerbe der letzten 10 Jahre den Betrag von 26 Mio. Euro, entfällt die Steuerfreiheit der als steuerfrei behandelten Erwerbe mit Wirkung für die Vergangenheit.

2. Begünstigungen von Familienunternehmen (§ 13a Abs. 9 ) bestehen auch weiterhin, allerdings wird eine eindeutige und zielgenaue Definition der Unternehmen verlangt. Es werden Entnahme/Ausschüttungsbeschränkungen, Verfügungsbeschränkungen und Abfindungsbeschränkungen normiert, die kumulativ erfüllt werden müssen. Die Regelungen müssen zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Besteuerungszeitpunkt eingehalten werden. Der Vorab-Abschlag beträgt bis zu 30% auf den Wert des begünstigten Vermögens.

Die Dauer der Einhaltung der Bedingungen wird in der Praxis die Nutzung der Vergünstigung für die Familien-Unternehmen stark einschränken.

3. Die Optionsverschonung (Vollverschonung) wird von der Einhaltung einer Verwaltungsver-mögensquote von höchstens 20% des Verwaltungsvermögens am begünstigungsfähigen Vermögen neben den Voraussetzungen des § 13a Abs. 10 Satz 1 ErbStG abhängig gemacht.

Der Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebs bestimmt sich nach der Summe der gemeinen Werte der Einzelwirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 3 und 4 ErbStG zum gemeinen Wert des Betriebs.

4. Das Deckungsvermögen für Altersversorgungsverpflichtungen, das den realen bilanziellen Bestand an Altersvorsorgeverpflichtungen übersteigt ist nach der Einigung im Vermittlungsausschuss dem Verwaltungsvermögen zuzurechnen und damit nicht mehr begünstigt (§13b Abs. 3 Satz 1).

5. Die Grundstücksüberlassung von Grundstücken, Grundstücksteilen, grundstücksgleichen Rechten und Bauten ist nach dem vereinbarten Gesetzestext nur dann nicht dem Verwal-tungsvermögen zuzurechnen (Rückausnahme) , wenn die Grundstücke vorrangig über-lassen werden, um im Rahmen von Lieferungsverträgen dem Absatz von eigenen Erzeugnissen und Produkten zu dienen (Beispiel: Brauereigaststätten).

6. Mit dem Ziel der genauen Abgrenzung werden Gegenstände, die typischer Weise der privaten Lebensführung dienen, dem Verwaltungsvermögen zugeordnet, wenn der Handel, die Herstellung der Gegenstände oder deren entgeltliche Nutzungsüberlassung nicht den Hauptzweck des Betriebs darstellen. Es sind dies insbesondere: Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken, Archive, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine, Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge.

7. Nach § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 gehört zum Verwaltungsvermögen der gemeine Wert der Finanzmittel (Bestand an Zahlungsmitteln, Geschäftsguthaben, Geldforderungen und andere Forderungen) nach Abzug des gemeinen Wertes der Schulden, soweit der Betrag 15% des Wertes des Betriebsvermögens/der Gesellschaft übersteigt. Weiterhin ist der gemeine Wert der Finanzmittel um den positiven Saldo der in den letzten beiden Jahren vor Entstehung der Steuer eingelegten und entnommenen Finanzmittel (junge Finanzmittel) zu verringern. Junge Finanzmittel sind Verwaltungsvermögen.

8. Voraussetzung für die Anwendung der „Geringfügigkeitsgrenze“ des § 13b Abs. 4 Nr. 5 Satz 1 ist, dass das begünstigungsfähige Vermögen des Betriebs und der nachgeordneten Gesellschaften im Sinne des § 13b Abs. 1 nach seinem Hauptzweck einer produktiven Tätigkeit (§ 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1Nr.1 und 2 EStG) dient. Diese Prüfung wird als Finanzmitteltest bezeichnet.

9. Im Fall des Erwerbs von Todeswegen entfällt (§ 13b Abs. 5) die Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen im Sinne von Abs. 4 Nr. 1 rückwirkend, wenn der Erwerber innerhalb von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer die Vermögensgegenstände in Vermögensgegenstände innerhalb des vom Erblasser erworbenen begünstigungsfähigen Vermögens im Sinne des Absatzes 1 investiert hat; also in Vermögen, das wiederum unmittelbar aus „produktivem Vermögen“ (§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 oder 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG) besteht und kein Verwaltungsvermögen darstellt.

Bedingung ist weiterhin, dass die Investition bereits der Erblasser geplant hat und keine anderweitige Ersatzbeschaffung von Verwaltungsvermögen vorgenommen wird oder wurde.

10. Das neue Recht hat für Betriebsvermögen von mehr als Euro 26 Mio. eine Abschmelzung der Begünstigung (§ 13c) normiert. Auf Antrag wird unter den gesetzlichen Voraus-setzungen auch die Vollverschonung (Steuerfreiheit von 100% des begünstigten Vermögens) gewährt. Allerdings darf das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen in diesem Fall 20% nicht übersteigen.

11. Auf Antrag sieht das neue Recht in § 28 Abs. 1 eine Stundung der Erbschaftsteuer vor, wenn der Erwerb durch Tod erfolgt. Gestundet wird allerdings nur der Teil der Steuer, der auf begünstigtes Vermögen im Sinne des § 13b Abs. 2 entfällt. Die Stundung wird bis zu sieben Jahren gewährt.

Bis zur Festsetzung der Steuer und bis zu einem Jahr danach ist die Stundung zinslos. Ab dem zweiten Jahr der Steuerfestsetzung sind die §§ 234 und 238 AO (Jahreszins 6%) anzuwenden. Ab dem zweiten Jahr betragen die ratierlichen Tilgungsleistungen 1/6 des Stundungsbetrages.

12. Neu ist im neuen Erbschaftssteuergesetz die Regelung des § 28a, die Verschonungsbedarfsprüfung für Betriebsvermögen im Wert von mehr als Euro 26 Mio. Die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer ist nach dieser Norm zu erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steueraus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Der Erwerber kann den Erlass nicht in Anspruch nehmen, wenn er begünstigtes Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung erhält, die ihn verpflichtet, begünstigtes Vermögen auf einen Dritten zu übertragen.

13. Von Bedeutung ist die Änderung der Unternehmensbewertung im vereinfachten Ertragswertverfahren. Die Bewertung nach §§ 199ff. BewG hat nach altem Recht den Unternehmenswert ermittelt, in dem der durchschnittliche Jahresertrag des Unternehmens der letzten drei Kalenderjahre vor dem Bewertungsstichtag mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert wurde. Der Kapitalisierungsfaktor wurde vom Basiszinssatz abgeleitet und um einen fixen Risikozuschlag in Höhe von 4,5% erhöht. Aufgrund des niedrigen Basiszinssatzes (1,1 zum 01.01.2016) und der Art der Ermittlung ergibt sich für das Jahr 2016 ein Kapitalisierungsfaktor von 17,86. Es wurde somit für das Unternehmen ein Wert ermittelt, der dem 17,86-fachem des durchschnittlichen Jahresertrages entsprach. Empirische Prüfungen ergaben, dass dieser Wert den tatsächlichen Unternehmenswert in den meisten Fällen bei Weitem überstieg. Der Vorstoß der Bundesregierung einen Kapitalisierungsfaktor zwischen dem 10-12,5-fachen durchschnittlichen Jahresertrag festzulegen, wurde vom Bundesrat zurückgewiesen. Als Einigungswert wurde ein Kapitalisierungsfaktor in Höhe des 13,75-fachen vereinbart, der durch das Bundesfinanzministerium im Wege der Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates entsprechend der Entwicklung der Zinsstrukturdaten künftig anzupassen ist. Damit soll die Marktnähe der Unternehmenswerte gewährleistet werden.

Ergebnis:

Der kurze Abriss der Neuregelungen zeigt bereits, dass die Verschonungsregelungen wie die Ermittlung des begünstigten Unternehmensvermögens komplexer und komplizierter geworden sind. Der Aufwand der Ermittlung wird sich wesentlich erhöhen und die Diskussion mit der Finanzverwaltung wird sich verschärfen. Auch, wenn die Korrektur der Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors bei der Wertermittlung des Unternehmens im ver-einfachten Ertragswertverfahren positiv zu beurteilen ist, wird in der Regel eine marktorientierte Bewertung für den Erwerber ein besseres Ergebnis erbringen.

Unglücklich ist die Dauer, über die die Bedingungen der Gewährung des Vorab-Abschlags bei Familienunternehmen vorliegen müssen. In Zeiten, in denen flexibel gehandelt werden muss, ist ein Zeitraum von 2 + 20 Jahren geradezu grotesk.

Es wird deutlich, dass in Folge der Änderung des Erbschaftssteuerrechts die langfristige Planung des Unternehmensübergangs noch wichtiger wird.

Abschließend ist festzustellen, dass es keiner Hellseherei bedarf, zu behaupten, dass auch für diese Version des Unternehmens-Erbschaftssteuerrechts, der Gang eines Hilfesuchenden zum Verfassungsgericht nicht lange auf sich warten lässt.


„Diejenigen Kaufleute, die gut vorausplanen, erwerben große Reichtümer. Die anderen, die dazu nicht in der Lage sind, gehen Bankrott“ (Mayer Amschel Rothschild, deutscher Bankier 1744 – 1812)

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